84 Jahre

Daraus, dass ich kein großer Fassaden-Dämm-Freund bin, habe ich ja hier nie einen Hehl gemacht. Und doch muss ich mich unweigerlich mit der Thematik beschäftigen, wenn bei uns nächstes Jahr die Dacherneuerung ansteht. Denn natürlich kann ich nicht einfach im Liegestuhl liegen und den Dachdeckern zuprosten, ich nutze natürlich die Gunst der Stunde und vor allen die Gunst des Baugerüsts, um die Fassade zu erneuern. Sprich: Schadhaften Putz entfernen, neuer Grundputz mit Armierungsgewebe und dann einen Strukturputz als Finish.

Tatsächlich fordert die EnergieEinsparVerordnung 2014 eine Fassadendämmung, wenn der Außenputz auf einer Fläche von mehr als 10% erneuert wird (§9 Abs.1) Die Auslegung, die ich hier gefunden habe, sagt zum Glück, dass eine Erneuerung des Außenputzes nur vorliegt, wenn auch tatsächlich der alte Putz komplett abgeschlagen wird. Das ist bei mir dann nicht der Fall, also komme ich wohl drum herum. Ansonsten würde mir ein Bußgeld von bis zu 50.000 € drohen (Schluck!).

Es ist ja nicht so, dass es nicht schon mal fast so weit gekommen wäre – als wir das Häuschen 2011 gekauft haben, sprach sowieso alle Welt von Fassadendämmung und WDVS, kritische Stimmen gab es eigentlich gar nicht und auch ich habe insgesamt drei Angebote von verschiedenen (und ich glaube auch verschieden kompetenten) Firmen dazu eingeholt.

Was sollte gemacht werden?
Die Fassade wird komplett eingerüstet, der vorhandene Putz wird dann per Hochdruckreiniger von Verschmutzungen und losen Beschichtungen befreit. Soweit so gut, alles Arbeiten, die auch bei der normalen Putzrenovierung anstehen werden. Aber dann: Alle bestehenden Fensterbänke werden fassadenbündig (schönes Wort) abgeschlagen und fachgerecht entsorgt. Meine schönen (ok, im Moment sind sie nicht so schön) Steinfensterbänke, die sogar einen Weltkrieg! überstanden haben, werden also den Malermeister B. nicht überstehen und fassadenbündig fachgerecht irgendwo hin entsorgt. Nebenbei übrigens muss alles, was irgendwie am Haus angebaut ist, entfernt werden. Angefangen von Türschild und Briefkasten (leicht) bis hin zum kompletten Vordach über der Hintertür (Uff!) und auch die seitliche Überdachung zur Garage (nee!).

Weiterhin ist es bei uns so, dass die Fensterlaibungen, wie es damals hieß „nicht viel hergeben“. Klebt man also dort eine Dämmplatte rein, und sei sie noch so dünn und hocheffizient, wird sie wohl ins Fenster ragen. Also wurde angeboten, 66,2 lfm Fenster- und Türlaibungen auszustemmen und natürlich auch wieder fachgerecht zu entsorgen. Rückblickend hege ich große Zweifel, erstens an der Sinnhaftigkeit tatsächlichen Dämmwirkung (ich nehme eine Menge Bausubstanz weg und klebe dafür Dämmung rein, wie viel Mehrwert kommt am Ende dabei heraus?) und zweitens an der statischen Substanz: denn wie wir hier mal festgestellt haben, lieber Leser, hat der gemeine Sturz ein Mindestauflager von nur 115mm. Wenn da nun noch was weggestemmt wird, entsorgt sich vielleicht auch einfach mal der ganze Fenstersturz von selbst, nur nicht so fachgerecht?

Bei einer anderen Firma wird diese Tätigkeit dann auch explizit als Azubistunden angeboten, der darf dann also die Laibungen ausstemmen, na herzlichen Glückwunsch.

Das ganze Objekt würde dann mit 160mm Dämmplatten verkleidet, also geklebt und gedübelt; hinten habe ich drei Fenster, die sowieso nur 30cm breit sind, dann kann man sich dann vorstellen, wie traumhaft das aussehen wird. Es wird dann armiert und gespachtelt, den Abschluss bildet ein Dekorputz und die Steinfensterbänke weichen dann modernen Alu-Fensterbänken.

Die bekannte Suchmaschine G. findet über 45.000 Einträge zu „WDVS Schäden“; Artikel, die über Schäden durch Dämmung berichten gibt es reichlich, denn von möglichen Brandlasten und Umweltschäden bei der Entsorgung mal abgesehen, wird die Gebäudehülle dadurch auf jeden Fall deutlich luftdichter, das kann ohne das ständige Lüften oder ein Lüftungssystem schonmal problematisch werden (siehe hier); von Problemen mit Schimmel, Algen, Kältebrücken usw. wird immer wieder berichtet (Links? Links, Links, und auch diese spezielle Homepage im Retro-Design 🙂 ). Von Langzeitfolgen weiß man noch gar nicht viel, außer, dass sich regelmäßig Fassaden über die Jahre und Jahrzehnte mit Wasser vollsaugen können.

Sicherlich häufen sich die Probleme bei nicht fachgerecht ausgeführten WDVS, aber auch bei den Fachgerechten packe ich mein Haus in eine luftdichte Hülle ein. Und das widerstrebt mir schon vom Gefühl her!

Die immowelt stellt bei der Gelegenheit in ihren recht lesenswerten News fest, dass sich die energetische Sanierung, hier im Bezug auf den Verkaufwert, kaum rentiert. Der Artikel zeigt außerdem, dass auch bei vermieteten Wohnungen nur 32% der Makler an einen höheren Mietpreis durch Sanierung glauben.

Apropos rentabel: Während ich die gut gemachte Dachdämmung (bzw. Dämmung der oberen Geschossdecke) nach wie vor begrüße, ist die Fassadendämmung die teuerste Maßnahme mit vergleichweise deutlich geringerem Effekt. Butter bei die Fische?

Die drei von mir eingeholten Angebote beziehen sich auf eine Fassadenfläche von 220 m². Kosten:
Firma 1: 27.011, 24 €
Firma 2: 26.717,89 €
Firma 3: 21.761,00 €

Achja, die letzte Firma gibt es mittlerweile nicht mehr (einmal mehr der Beweis, das sich billige Preise auf Dauer nicht durchsetzen).

Für mein nicht-fassadengedämmtes Häuschen zahle ich rund 1776 € Gas im Jahr; davon mal einen Anteil von 10% fürs Warmwasser abgezogen, bleiben rund 1600,00€. Die WDVS-Lobby Industrie wirbt mit Einsparmöglichkeiten von 30%, ich halte maximal 20% für realistisch, macht also eine jährliche Einsparung von 320 €. Die Fassadendämmung hätte sich also bereits nach gut 84 Jahren armotisiert!

Puh, jetzt bin ich gerade selber etwas baff, dass 84 Jahre dabei herauskommt? Ich hätte mit der Hälfte gerechnet und das schon als viel zu lang empfunden. Habe ich mich verrechnet? Liest hier jemand mit, der besser rechnen kann? Nein , ich glaube, es ist tatsächlich so. Klar kann man noch argumentieren, dass das Gas sicher irgendwann teurer wird; aber es müsste schon mehr als viermal so teuer werden, damit es bei mir eine halbwegs realistische Armotisierungszeit gäbe. Und wenn Gas viermal so teuer ist, lässt man sich vielleicht auch irgendwas besseres einfallen, als die Häuser noch dicker einzuwickeln.

Übrigens: selbst die Hohlwanddämmung, die ich kurz angedacht hatte (und bei deren Anbietern es noch mehr schwarze Schafe gibt als beim WDVS), würde sich, legt man Kosten von rund 5000,- zugrunde, erst nach über 15 Jahren armotisieren. Und die Fassadendämmung, ha, hab ich auch nochmal kurz gerechnet, kostet 84 Jahre lang etwa 88 Cent pro Tag, also rund nen Euro. Dafür kann man sich jeden Tag einen Einkaufswagen kaufen!

Gibt’s alles nicht! Schluss, Aus, Ende! In 84 Jahren bin ich 120! Da werde ich sowieso frieren, ob mit Dämmung oder ohne! Aber dann sitze ich zufrieden in meinem Sessel und schaue hinaus auf den Garten, wo meine hundert Enkel Kricket spielen, oder so. Und vorne auf dem Hof parken 27.000 Einkaufswagen.

 

7 Gedanken zu „84 Jahre

  1. Hallo Manuel

    seid gut 15 Monaten lesen hier hier gerne mit, und freue mich über deine lustigen Beiträge,….

    Ich habe mal eine Frage:Du sagst du hast 150 euro im Monat für Gas an ausgaben, war das der Stand vor der Dachisolierung, oder danach?

    Weitere Frage: Auch meine Wenigkeit muss das Dachgeschoß ausbauen, bisher habe ich sogar nur ne Luke zum Dachboden,….aaaaber, das Dach geht bei einigen Zimmern weiter, Also Dachschrägen im OG.
    Ich kann hier keine Unterspannbahn einbringen, also auch nicht so ein schönes Holzwerk vor der Isolierung, wie du,…weil ich nicht soweit „runterkomme“
    Also doch in der Mitte auf den Dachlatten eine Latte schrauben und die Isolierung so dazwischenproppen? es bleibt ja der Abstand Isolierung Dachpfannen durch die Dachlatten,….zwecks hinterlüftung,….. 🙂

    hau rein-und vor allem-weiter so 🙂

    • Hallo, freut mich, dass Du schon so lange treu bist 😉 Die Gasangaben waren „nach“ der Dachisolierung.
      Was heißt Du kommst nicht weit genug ‚runter‘? Du brauchst auf jeden Fall eine Unterspannbahn oder eine Alternativlösung (wie bei mir DWD-Platten). Isolierung unter die Pfannen, auch mit Abstand, geht nicht weil der Isolierstoff dann unweigerlich feucht werden würde. viele Grüße, Manuel.

  2. Hallo Manuel!!

    Euer Haus ist Bj. 19?? 
    Darf ich dich fragen wieviel kubikmeter Gas ihr im Jahr braucht Und was euch der kubikmeter kostet bzw. was ihr im Monat bezahlt?
    Ich hab ein Haus Bj. 1954.
    Die Heizkörper sind noch so alte Radiatoren. 
    Überlegung meiner seits: Neu Heizkörper=>Bringen die was?
    Umstellung von Holzheizung mit Tischherd und Kachelofen auf Gas=> sinvoll? (Gas anschluss ist schon im Haus) 

    Glg. Werner  

  3. Ich habe jetzt nochmal genau im Ordner gewälzt, hier die Gasverbräuche:

    2012 : 34.035 kWh (ohne Dachbodendämmung)
    2013: 32.305 kWh (Dämmung ab Oktober)
    2014: 23.670 kWh (mit Dämmung)

    Da hätte ich also eine Ersparnis von 30%, wenn man es nur an der Dämmung festmachen würde (vielleicht war auch der Winter milder).

    Das Haus ist Baujahr 1926 und die Wohnfläche ist 175 m².

    Werner, ich bin leider kein Heizungsexperte 🙂 Ich würde sagen, neue Heizkörper und eine effizientere Heizungsanlage bringen schon was, wird aber nicht der große Wurf sein. Aber Deinen Dachboden bzw. oberste Geschossdecke solltest Du dämmen 😉 vg

  4. Pingback: Lieber Dr. Sommer… | Dann wollen wir mal!

  5. Seeehr nett zu lesen…
    aber ich denke, Du hast bei der Rechnung tatsächlich einen Fehler, denn die Entsorgungskosten (Glaskugelverzeichnis Jahr 2035, Abschnitt Bauwesen, Kategorie Problemmüll…) müsstest Du ja auch noch ansetzen. Warum 2035? Weil das Zeug laut Hersteller doch 20 Jahre hält (Zweitmeinungen s. Google)
    Das Zeug kommt MIR auch nicht ans Haus

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